Maria Wollny: Kunst auf Sperrmüll – Galerie
Maria Wollny (woyy) sprüht „Umarmungen“ auf Sofas etc.
„Ist das Kunst, oder kann das weg?“ mag wohl auch schon so mancher BSR-Müllmann auf der Roten Insel beim Anblick der Kunstwerke von Maria Wollny gedacht haben. Und tatsächlich: Die Antwort auf diese Frage fällt hier nicht leicht. Maria Wollnys Trash Art impliziert nämlich beides: Kunst und Müll, gewissermaßen auf einem Haufen. Die Schöneberger Künstlerin mit Atelier in der Gotenstraße sprüht Motive auf herumliegenden Sperrmüll. Da werden aus alten Sofas, ausgemusterten Regalwänden oder abgefallenen Radkappen temporäre Kunstobjekte, die „wahrscheinlich zu 95 Prozent“, so die Künstlerin, auf der Müllkippe landen.
Maria Wollny in ihrem Atelier und
ihre „Umarmungen“ auf einer Sperrmüll-Matraze in der Gotenstraße.
Kunst, Tango, Fahrrad
Ihre Objekte durchleben auf dem Weg zur Müllhalde eine Art Metamorphose. Maria Wollny, einst Meisterschülerin an der Hochschule der Künste Berlin und heute zudem noch leidenschaftliche Tango-Tänzerin, Weltreisende und überzeugte Radfahrerin, befährt immer wieder Berliner Bezirke auf der Suche nach abgestellten Kühlschränken, Fernsehgeräten oder sonstigem Müll. Dabei wird sie besonders fündig in Bezirken wie Treptow, Neukölln, Kreuzberg oder auch Schöneberg.
Küsse auf der Couch
Nach Ortung eines Zielobjektes bepackt sie ihre Fahrradtaschen mit ihren Stencils (Schablonen) und den Spraydosen und bearbeitet vor Ort den Müll. „Ich finde, meine ,Umarmungen‘ und ,Küsse‘ machen sich besonders gut auf Couches, dicken Sesseln und Matrazen.“ Manchmal so gut, dass PassantInnen ein Bild ausschneiden und mit nach Hause nehmen. Von einigen ihrer herausgeschnittenen Bilder weiß sie denfitiv, in welcher Wohnung sie heute hängen.
Maria Wollny liebt den unmittelbaren Kontakt zu den PassantInnen, mag die Straßenbekanntschaften oder die Polizisten, die ihre Arbeit schmunzelnd aus der Ferne begleiten.
Seid nett zueinander!
Hin und wieder findet aber auch jemand ihre Motive anstößig oder gar sexistisch. „Dabei zeige ich nur, wie zwei Menschen sich umarmen oder küssen. Der Rest liegt im Auge des Betrachters.“ Make love – ist ihre Botschaft – „Seid nett zu einander!“ – und zwar unabhängig vom Geschlecht. Sie bevorzugt inzwischen eine androgyne Körperlichkeit auf ihren Bildern.
Vor dem Akt des Sprayens aber liegt die Entwicklung des Schablonenbildes, die Herstellung der Schablone, die dann zusammengefaltet in der Fahrradtasche mitsamt der Sprühdosen zum Müll transportiert werden. Mit Stecknadeln oder Klebestreifen wird das Stencil am Müllobjekt angebracht, dann farbenfroh gesprayt und dokumentiert. Hin und wieder schaut sie nach, ob das Objekt bearbeitet oder schon von der Müllabfuhr abgeholt wurde.
Du bist nicht allein…
Seit neuestem im Pensionärsstatus, (sie war Leiterin des Fachbereichs Kunst am Canisius-Kolleg) hat sie einen reichgespickten Terminkalender. woyy – so ihr Kürzel – ist voller Ideen. Bald geht es wieder nach Buenos Aires, wo sie vor sieben Jahren hervorragende Streetart in der Stenciltechnik kennenlernte. Sie will dort ihre Recycling-Arbeiten fortsetzen und eine Modelinie aus Plastiktüten entwickeln. 2017 plant sie, für einige Monate in einem indischen Frauenhaus zu arbeiten.
Das diesjährige Motto der BioInsel: „Du bist nicht allein …“ passt auf Maria Wollny wie ihre Schablonen aufs Sofa. Ihr Fahrrad wird von den Jungs vom Radskeller repariert, von der Kosmetikerin Maryam lässt sie sich verwöhnen, Marias Enkelkind wird von ihrer Tochter in den Kinderladen am Gustav-Müller-Platz gebracht. „Ach ja, und mein Sohn hat in der Bioinsel sein Schülerpraktikum gemacht.“ In der Bioinsel ist sie seit 17 Jahren, seit sie im Kiez wohnt, Stammkundin. Hier trifft die waschechte Berlinerin alle irgendwann wieder. „Wie auf’m Dorf eben.“
Text&Fotos: www.ankekuckuck.de