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Gisela Nolting-Schöne: Von Arabisch bis Zulu

Gisela Nolting-Schöne ist der Roten Insel treu
und Vorsitzende der Lernbrücke e.V.

Sie wohnt in einer der eher kürzeren Straßen Berlins – fünf Häuser, eine Baulücke – die Roßbachstraße* auf der Roten Insel Schöneberg, Verbindung zwischen Goten und Cherusker. Und hier schon seit 1976. Sie ist Vorsitzende der Lernbücke e.V. gleich um die Ecke in der Feurigstraße 55, dort arbeitet sie seit 28 Jahren und hat so manchem Nachhilfeschüler oder Sprachenlernenden aus der Umgebung auf die Sprünge geholfen.

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Über die Lernbrücke zur BioInsel

Wenn also eine mit der Roten Insel verbunden ist, dann Gisela Nolting-Schöne. Sie kaufte schon in der Bioinsel ein, als die noch der Inselladen in der Leberstraße war und ist dem Biomarkt bis heute treu geblieben. „Gutes Angebot, gute Preise, nette Leute und direkt auf dem Weg,“ sagt sie auf die Frage, warum sie seit 25 Jahren bei Helmut und Anne einkauft. „Meine Schwester aus Oldenburg ist immer verblüfft, wie günstig das Biobrot ist“, sagt Gisela. Außerdem hat Bioinsel-Inhaber Helmut mal einen Englischkurs in der Lernbrücke belegt – mit welchem Ergebnis ist nicht überliefert.

Die Nische unter den Sprachschulen

Gisela, soweit darf man indiskret sein, hat das übliche Rentenalter bereits erreicht. Dieser Status sollte aber hier nicht mit Ruhestand verwechselt werden. Vielmehr treffe ich sie als aktive Vereinsvorsitzende der Lernbrücke e.V. in der Feurigstraße an, wo sie mit drei weiteren Damen – Helena, Anne und Anke – die Sprach- und Nachhilfeschule managt. In sechs Übungsräumen vermittelt ein Stamm von Lehrerinnen und Lehrern die ungewöhnlichsten Sprachen. „Das ist unsere Nische im großen Angebot der professionellen Sprachschulen,“ so Gisela, „Einzelunterricht und Gruppen ab zwei Personen in Sprachen von Arabisch bis Zulu, in sehr partnerschaftlicher Atmosphäre und zu sehr günstigen Preisen.“

Lernen als Lustbetonte Anstrengung

Ein Verein eben, der sich schon bei der Gründung vor 30 Jahren immer als gemeinnütziges Projekt, und nicht als profitorientiertes Unternehmen verstanden hat. Hier sollten auch einkommensschwache Menschen – zunächst SchülerInnen, später auch Erwachsene – eine Chance auf Bildung bekommen. „Lernen soll eine zwanglose und lustbetonte Anstrengung sein. Lernen ist eine individuelle Entfaltung und wird durch Rücksichtnahme mehr gefördert als durch Konkurrenz.“ So lautet ein Auszug aus den Statuten. Heute wirkt dieser Ansatz wie eine fröhliche Utopie aus dem vorigen Jahrhundert, – umso beeindruckender, dass sie in der Lernbrücke immer noch gelebt wird. Momentan werden über 50 Sprachen angeboten, die durch rund 70 prinzipiell muttersprachliche Lehrerinnen und Lehrer vermittelt werden. Auch der Bereich Nachhilfe ist weiterhin im Angebot.

Von Ostfriesland ins chaotische Kreuzberg

Gisela, geborene Ostfriesin, hat das Lehrerhandwerk von der Pike auf gelernt. Nach ihrem Lehramtsstudium für Mathematik und Französisch in Giessen zog sie auf die Rote Insel und machte in Kreuzberg ihr Referendariat. “Ich dachte: Das darf doch nicht wahr sein, diese chaotischen Zustände in den Klassen. Ich war der Dompteur! Das war mir zu stressig, wenn du jeden Tag immer wieder von vorne anfangen musst. Nur die Klassenfahrten waren schön!“ Sie stieg aus der Beamtenkarriere aus, organisierte Ferienfreizeiten für das Bezirksamt Kreuzberg, jobbte in Kneipen, bot Nachhilfe an, begann bei der Lernbrücke und machte in einem Projekt junge Leute, die Maler und Lackierer werden wollte, für die Berufsschule fit. Vor 28 Jahren stieg sie dann in die Lernbrücke ein.

Wolof, Twi uns Zulu

Heute arbeitet sie dort noch 15 Stunden die Woche, ist Vereinsvorsitzende. Rentabel ist die Lernbrücke angesichts der großen Konkurrenz heute eher knapp und zum Teil auch nur, weil sich alle Mitwirkenden auf ein sehr geringes Honorarsystem geeinigt haben. „Die Stimmung aber“, betont Gisela lächelnd, „die Stimmung in den meisten Gruppen ist fantastisch. Zum Beispiel unsere Hebräisch-Runde oder auch der Französisch-Konversationskurs arbeiten schon über Jahre zusammen. Neu im Programm ist Isländisch. Wir bieten Lettisch, Hindi, Nepali, Persisch oder Russisch. Besonders toll finde ich, dass über die Hälfte unserer Teilnehmenden auf Empfehlung kommen. Wir bemühen uns, individuell die Bedürfnisse zu befriedigen, ob in Wolof, Twi, Zulu, Kiswaheli oder Yoruba – allesamt afrikanische Sprachen, für die wir natürlich auch Muttersprachler haben.“

In diesem Sinne also „jàmm ak jàmm“, das ist Wolof und heißt: Auf Wiedersehen!


*Übrigens: In Berlin gibt es noch deutlich kürzere Straßen als die Roßbachstraße, in der Gisela lebt und die nicht einmal jeder, der auf der Insel wohnt, kennt. Im Nikolaiviertel findet sich die kürzeste Berlins: die Eierstraße, ganze 16 Meter lang mit einem einzigen Anlieger. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Foto: Gisela Nolting-Schöne vor den Räumen der Lernbrücke e.V.,
Feurigstraße 55

Kontakt und Infos: www.lernbruecke-e-v.de

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