Chr. van Beveren: Sehr, sehr gerne….Polsterei
Der Papa Bear Chair, 1951 von Hans Wegner entworfen und als Vintage-Modell ein sehr wertvolles Stück, ist ihr Lieblingssessel. Christine van Beveren hat schon einige dieser Klassiker wieder „aufgemöbelt“. Als gelernte Polsterin ist sie auf Sitzmöbel-Klassiker aus den 1920er bis in die 70er Jahre spezialisiert, sie schätzt die klare, nüchterne Formensprache, die kaum zu toppende Qualität und den herausragenden Komfort. Aber manchmal bearbeitet sie auch ganz andere Dinge wie z.B. das alte Sofa von Anne und Helmut aus der Bioinsel oder deren Markise vom Gemüsestand. Oder die schwebenden Kunstfiguren für ihre nächste Ausstellung.
Umhüllt von hellblauer Wolke
In der Schöneberger Gotenstraße 78 sieht es nach Arbeit aus. Das frisch bezogene Sofa ist noch nicht ganz ausgepolstert, am schrill designten Cocktailsessel aus den 50ern lehnt ein altes Sessel-Gestänge, auf dem Arbeitstisch liegen großgemusterte Stoffe und Schnittmuster. Christine van Beverens Hauptauftraggeber springt herein, testet kurz die Polsterung des original italienischen Le Bambole-Sofas (Mario Bellini). Die Husse sitzt noch etwas faltig. „Da muss ich was aufpolstern.“ Die Husse muss den Zweisitzer wie eine riesige hellblaue Wolke umhüllen, in die man sich fallen lassen kann. Jedes Möbel wird indivduell ausgearbeitet, auch wenn die Schnitte dieselben sind. Gerade arbeitet sie an einem anderen Klassiker, einem roten Sessel von Osvaldo Borsani, Design von 1951. Verkaufswert 3.000€
Harte Arbeit, unfairer Lohn
Die Polsterei wurde Christine nicht gerade in die Wiege gelegt. Geboren im Sauerland (Balve), in Drensteinfurt nahe Münster aufgewachsen, erkannte die junge Frau bald, dass sie nicht in die Fußstapfen ihrer Akademiker-Familie treten, sondern mit den Händen und an Maschinen arbeiten wollte. Sie strebte zielsicher und mit einem guten Anteil Rebellion in einen „Männerberuf“, die Raumausstattung. Die Lehrwerkstatt wurde vom Chef allerdings im alten Stil geführt, so dass sie mit ihm um ihre Position beständig kämpfen musste. Gardinen nähen, Teppich verlegen, Schickimicki und Dekorieren war nicht ihr Ding. Der harte Job der Polsterei sollte es sein. Und weil sie im dritten Lehrjahr weitgehend eigenständig arbeitete und gut war in ihrem Bereich, setzte sie sich durch und bestand die Gesellenprüfung im Schwerpunkt Polsterei mit Bravour.
Klangvolle Designer-Namen
Christine machte sich selbständig und begann, alte Möbel zu restaurieren, zunächst aus der Gründer- und Biedermeierzeit. Heute – 25 Jahre später – ist sie spezialisiert auf Bauhaus und Co.: Borsani, Corbusier, Saarinen – klangvolle Designer-Namen. Zum Aufrestaurieren nimmt sie die Möbel komplett auseinander bis nur noch das Gerüst steht und baut das gute Stück ganz neu auf. Sie verwendet viel Schaumstoff und moderne Bezüge, je nach Stil und Bedarf.
Selbstverständlich nimmt Christine van Beveren auch private Auftragsarbeiten an, berät im häuslichen Ambiente, bringt Stoffproben, Farb- und Stilideen mit. Was lohnt sich aufzuarbeiten? Oft kommt es auf das Gestell an. Generell lohnt es sich, wenn ein Möbel geliebt wird, weil es bequem ist, funktional und vielleicht Erinnerungen birgt.
Dörflich und sozial
So bearbeitete sie auch Sofa und zwei Stühle, brombeerfarben, der Bioinsel-Eigentümer und verewigte sich so in einigen Haushalten auf der Roten Insel. Seit 2007 lebt sie in Schöneberg, und speziell dieser Kiez gefällt ihr sehr gut. Sie nennt es „dörfliche Atmosphäre!“ und erinnert sich gerne an ihre Zeit der Selbständigkeit, als sie in einem Bauwagen auf einem Bauernhof bei Münster lebte, total alternativ, nach Barbara Rütting kochte und ihre Tiere versorgte. Mit der Idee, „was Soziales zu machen“, sattelte sie damals um auf Altenpflegerin, legte noch die Beschäftigungstherapie obendrauf, um nach weiteren fünf Jahren festzustellen: „Schichtdienst ist nichts mehr für mich. Ich muss frei sein.“ Da war sie 28 Jahre alt.
Bildende Kunst in Enschede
Ihre Begeisterung für die schönen Künste zog sie in die Niederlande an die Akademie der bildenden Künste Enschede. „Hier bin ich richtig!“ befand sie und studierte fünf Jahre freie Kunst (Examensausstellung an der Rietveld Akademie Amsterdam). Neue Welten eröffneten sich. Sie heiratete einen Holländer, mit dem sie 1995 eine Tochter bekam. Die Polsterei war in jener Zeit kein Thema. Babykleider wollten entworfen, produziert und in Amsterdam und Brüssel erfolgreich verkauft werden. Sie lebte zehn Jahre in Amsterdam bis die Ehe in die Brüche ging. „Damals war das die schönste Stadt zum Leben!“, sagt sie heute.
Berlin und die Filme
Nach Berlin verschlug es sie 2002. Ihr Vater, Pianist, und Bruder, klassische Gitarre, leben hier seit Jahrzehnten, beide sind Musiklehrer. Und Christine profilierte sich als Ausstatterin von Filmproduktionen in Babelsberg. Sie erinnert sich an Filmproduktionen wie „Der Vorleser“von Stephen Daldry, Polanskis „The Ghostwriter“. Für „Pandorum“ von Christian Alvart „habe ich ein halbes Jahr lang Monster genäht.“ Für „The Congress“ von Ari Folmar betrieb sie einen „Riesen Aufwand für den Bau von Robotern“.
Schwebende Geister im Raum
Aber die zwölf bis 14 Stunden-Tage beim Film waren als alleinerziehende Mutter mit eigenem Atelier dauerhaft nicht zu schaffen, auch wenn die Tochter nun langsam aus dem Gröbsten heraus war. Heute ist das Atelier Mittelpunkt ihres kreativen Schaffens. Hier formt sie die Vintage-Modelle in bildhauerischer Arbeit und kreiert ihre Installationen, die man derzeit im Atelierhof Werenzhain bewundern kann, 24 Figuren, schwebende Geister im Raum aus Stoff. Name der Ausstellung: „Verbindung-Faser“.
„Für mich ist das alles keine Arbeit,“ sagt sie lächelnd, „Ich bin hier sehr, sehr, sehr gerne…“
Atelier Polsterei
Gotenstraße 78
10829 Berlin
Tel:030/84720679
www.christine-van-beveren.de
christifa@web.de
Text und Foto: www.ankekuckuck.de
Fotos Möbel: van Beveren